Zwillinge stillen | Geht das?
Zwillinge stillen, geht das?
In unseren Stillberatungen, treffen wir immer öfter auf (werdende) Zwillingseltern. Kein Wunder, denn nicht nur die Geburtenzahlen steigen in den letzten Jahren an, sondern auch der Anteil der Frauen die Zwillinge gebären. 2015 waren dies bereits gute 13.000 pro Jahr, wohingegen 2011 noch ca. 11.000 Zwillingsgeburten gemeldet wurden. Mehrlingsgeburten sind trotz steigender Zahlen etwas Besonderes und mit zwei oder mehr Babys haben die Eltern viele spezielle Herausforderungen.
Eine der besonderen Herausforderungen stellt die Ernährung der Kinder da und oftmals die Frage: Ist es möglich Zwillinge zu stillen? Kann mein Körper dies leisten?
Ganz allgemein gesprochen: ja!
Bereits in der Schwangerschaft versorgt Dein Körper zwei Babys, daher ist es wahrscheinlich, dass er auch danach in der Lage ist Muttermilch für zwei Babys zu produzieren. Vielleicht muss sich diese erst einmal an den Bedarf anpassen, doch mit guter Vorbereitung, Informationen und Unterstützung gelingt es vielen Zwillingsmüttern ihre Zwillinge voll- oder teilweise zu stillen.
Falls Du Dir über die Vorteile von Muttermilch bzw. anfänglich Kolostrum nicht ganz im Klaren bist, haben wir hierzu noch einen ausführlichen Beitrag verfasst
Stillvorbereitungen
Doch die wichtigste Grundlage ist Dein Wunsch die Zwillinge zu stillen und das Wissen, dass dies auch möglich ist. Wenn Du diesen Wunsch hast, dann hilft Dir Dein Umfeld - Dein Partner, die werdenden Großeltern, Deine Freunde, Deine Familie, welche diesen unterstützen, ihn auch umzusetzen. Denn je mehr Unterstützung Du hast, desto wahrscheinlicher ist es, dass Du Deine Zwillinge über einen längeren Zeitraum stillen kannst und zwar so lange wie es für Euch richtig ist. Hast Du zudem eine Hebamme und/oder Stillberaterin, die Dich auf diese ganz besondere Herausforderung vorbereiten, sind dies wunderbare Voraussetzungen für Euren Stillstart. Daher besprich mit Deinem Umfeld Deinen Wunsch, sprich mit der Hebamme ob sie Erfahrung mit stillenden Zwillingsmüttern hat, besuche einen Stilltreff, um eine Idee zu bekommen, wie das Stillen gelingen kann, suche Dir möglicherweise eine spezielle Stillberaterin, die Dich zusätzlich unterstützt.
Wichtig neben Deinem Umfeld ist Vertrauen. Vertrauen in Deinen Körper, dass dieser in der Lage ist zwei Kinder zu versorgen und Vertrauen in Deine Babys, dass sie wissen was sie brauchen, wie viel sie benötigen und ihre Bedürfnisse auch äußern. In der Vorbereitung kann immer helfen, dass Du Dir vergegenwärtigst, dass unsere Babys von Natur aus auf das Überleben programmiert sind. Wenn Ihr Euch die Gelegenheit gebt der Natur Ihren Lauf zu lassen, die natürlichen Reflexe der Babys nutzt (mehr dazu unter Stillpositionen) und ein unterstützendes Umfeld habt, sind dies die besten Voraussetzungen für eine gelingende Stillbeziehung. Gerne empfehlen wir in diesem Zusammenhang das Buch von dem Kinderarzt Herbert Renz-Polster Kinder verstehen, welches sich eingehend mit den evolutionären Hintergründen über die Bedürfnisse und Entwicklungen unserer Babys beschäftigt. Kinder verstehen
Nicht unterschätzen solltest Du die Wahl des Geburtsortes, da davon abhängig der Stillstart mehr oder weniger gut gelingen kann. Babyfreundlich zertifizierte Kliniken, sind Krankenhäuser die sich bestimmter Qualitätskriterien unterworfen haben und das Stillen fördern. Dies kann ein Hinweis sein, dass hier das Stillen im Besonderen unterstützt wird. Dies bedeutet nicht, dass Kliniken, die nicht babyfreundlich zertifiziert sind, keine Stillförderung betreiben. Unabhängig von jedem Zertifikat, solltest Du vorab das Gespräch mit der Klinik suchen und Deinen Wunsch zu stillen bereits vor der Geburt ansprechen und fragen inwieweit Dich das Personal hierbei unterstützen kann. Frage ruhig nach ob es Vorort eine Still- und Laktationsberaterin IBCLC gibt, die Du bei Bedarf hinzuziehen kannst, möglicherweise besteht auch die Möglichkeit diese vorab kennenzulernen. Auch die Frage ob Deine Hebamme oder Stillberaterin nach der Geburt beratend hinzugezogen werden kann, ist selbstverständlich erlaubt.
Zwillingsstillkissen
Eine der Erstanschaffungen vieler Zwillingsmütter ist ein Zwillingsstillkissen. Ein praktisches, jedoch nicht zwingend notwendiges Stillhilfsmittel. Praktisch, da Du ein Kissen hast, welches Du um Dich legen und Deine Kinder gut positionieren kannst ohne, dass das gebaute Kissenkonstrukt stark verrutscht.
Allerdings zeigt sich in Stillberatungen immer wieder, dass diese meist nicht ausreichend sind, sondern zusätzlich mit weiteren Decken oder Kissen unterpolstert werden müssen, damit die Babys auch wirklich nah an Deinem Körper liegen. Ohne diese zusätzliche Polsterung beugen sich die Mütter oftmals sehr weit beim Stillen nach vorne, damit die Kinder gut andocken können, was dauerhaft zu Rücken- oder Nackenschmerzen führen kann. Ohne Unterpolsterung ist zudem oftmals der Abstand zwischen Babys und Mama zu groß, so dass sich die Zwillingsbabys oft mehr zur Brust strecken müssen, was bedingt, dass ihre natürlichen Reflexe nicht bzw. zu wenig genutzt werden und möglicherweise nicht gut andocken können. Daher lohnt sich die Überlegung einfach auf viele Kissen auf großer Fläche zurückzugreifen und sich dort optimal für jede Position einzurichten. Dies ist eine sehr individuelle Entscheidung, schau am besten einfach was Dir ein gutes und händelbares Gefühl gibt.
Zwillingsstillkissen gibt es in verschiedenen Ausführungen und Modellen, flexibel formbar oder mit starrer Form. Diese sind entsprechend für zwei Babys größer bzw. umfassender als für ein Baby. Zwillingsstillkissen sollen helfen, Deine Babys gut zu stützen und Euch eine angenehme Stillposition ermöglichen. Die bekanntesten Modelle sind z.B. das My Breast Friend - ein formstabiles Stillkissen zum Umschnallen
oder zum Beispiel das Zwillingsstillkissen von Corpomed formstabil und für die Mutter etwas weniger beengend
aber auch die flexible Varianten in der bekannten Bananenform, wird von einigen Müttern verwendet, gerne bereits in der Schwangerschaft als Seitenschläferkissen.
Stillpositionen
Die Vorstellung und der Wunsch vieler Zwillingsmütter ist es, die Zwillinge gleichzeitig zu stillen. Verständlich, denn die Vorteile liegen klar auf der Hand: stillst Du gleichzeitig, entwickeln die Babys möglicherweise schneller einen gleichen Rhythmus, Du verschaffst Dir mehr Zeit, um einmal zu Essen, zu Duschen oder zu Schlafen. Zudem wird durch das gleichzeitige Stillen dem Körper signalisiert, dass mehr Muttermilch produziert werden muss. Das parallele Stillen führt zu einem erhöhten Prolaktinspiegel und dem Bedarf angepasster Milchproduktion.
Doch setzt dieser Wunsch gerade beim Stillbeginn manche Mütter auch sehr unter Druck. Deine Babys sind vielleicht verschiedene Trinker, haben verschiedene Bedürfnisse, zu verschiedenen Zeiten, was Deinem Wunsch parallel zu stillen entgegen spricht. Daher empfehlen wir erst einmal Deine Zwillingsbabys jedes für sich kennenzulernen, viel mit ihnen zu kuscheln, ihnen die Gelegenheit zu geben an die Brust zu gehen wenn sie bereit dazu sind. Möglicherweise ist dies gleichzeitig, möglicherweise auch nicht. Wenn nicht dann stille sie zu Beginn nacheinander, so könnt ihr Euch erst einmal kennenlernen und an das neue Erlebnis Stillen gewöhnen und etwas später das parallele Stillen in Angriff nehmen.
Sobald ihr Drei soweit seid, kannst Du probieren sie gleichzeitig anzulegen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten an Stillpositionen, die wir Dir hier kurz beschreiben möchten.
Beim doppelten Rückengriff liegen beide Kinder mit dem Köpfchen an der Brust, während ihr Körper um Deinen herum liegt. Die Körper der Zwillinge berühren sich dabei nicht und mit Deinen Armen kannst du sie eng an Dich gedrückt stabilisieren. Dies kann bei großen Brüsten oder bei Frühchen eine praktische Stillposition sein.
Bei der Parallelhaltung liegen die Körper der Zwillinge in die gleiche Richtung. Ein Zwilling mit dem Körper in Richtung Rücken um den der Mutter, während der andere Zwilling mit dem Körper vor der Brust der Mutter liegt. Dabei kann ruhig auch das Köpfchen des ersten Zwillings auf dem Körper des anderen liegen, ggf. auf einer dazwischenliegenden, gefalteten Mullwindel. Du wirst sehr schnell merken ob der beiderseitige Körperkontakt Deine Babys stört oder sie es gar besonders gerne mögen.
Eine weitere Möglichkeit ist das Überkreuzstillen. Die Körper Deiner Babys kreuzen sich mehr oder weniger. Manche Babys lieben den zusätzlichen Kontakt zu Ihrem Zwilling.
Wie dies praktisch aussehen kann, zeigt diese Video einer stillenden Mutter:
Bei den genannten, klassischen Stillpositionen ist die Mutter oftmals sehr weit nach vorne gelehnt. Gerade wenn Du einen Kaiserschnitt hattest, kann dies sehr unangenehm sein.
Daher ist es wichtig und weniger schmerzhaft, je mehr Du Dich mit dem Rücken leicht nach hinten geneigt anlehnen kannst. Um Deine Muskulatur zu entspannen, ist es hilfreich, wenn Du Deinen Körper gut stützt. Ein Kissen im Rücken und Nacken, unter dem Ellenbogen, hochgelegte Beine, gerne auch unter den Kniekehlen ein stützendes Kissen. In dieser zurückgelehnten Haltung musst Du Deine Muskulatur weniger anspannen und nutzt zudem die Schwerkraft für Euch. Denn durch diese liegen die Kinder näher auf Deinen Körper auf und die natürlichen Reflexe Deiner Babys werden genutzt, was den Stillvorgang erheblich erleichtern kann. Willst Du stillen und dabei die natürlichen Reflexe Deiner Babys nutzen, wenig selbst eingreifen, sondern Deine Babys mit wenig Unterstützung andocken lassen, dann sprechen wir vom intuitiven Stillen oder auch babygeleitetem Anlegen. Eine Möglichkeit, mit der wir in unseren Beratungen sehr oft gute Erfahrungen gemacht haben. Unsere Kollegin Nancy Mohrbacher hat dazu mehrere, wunderbare Videos veröffentlicht, die die Hintergründe und Umsetzung verbildlichen. Leider nicht mit Zwillingen, doch ist dies selbstverständlich auch bei Zwillingen möglich.
Wenn Du zu diesem Thema mehr lesen möchtest, dann empfehlen wir Dir das Buch "Intuitiv Stillen" unsere deutschsprachigen Kollegin Regine Gresens.
Ganz allgemein ist es wichtig, dass Ihr Euch in Eurer Stillposition wohl fühlt. Ihr könnt diese auch immer wieder wechseln, je nach Situation, nach Tageszeit. Es gibt Mütter die im Liegen auf dem Rücken stillen, Mütter die seitlich liegend stillen. Alles ist erlaubt, was für Euch praktisch und angenehm ist. Probiert einfach zu Dritt immer wieder neue Positionen aus, bis Ihr Eure günstigste und angenehmste Variante gefunden habt.
Stillen nach Bedarf und synchronisieren
Wurde früher und teilweise auch heute noch das Stillen in definierten Zeitabständen ausschließlich empfohlen und strikt angewandt, haben sich die Empfehlungen hier immer mehr geändert. Heute schauen wir wieder mehr auf die Bedürfnisse der Babys und versuchen diese wahrzunehmen und nach Bedarf zu stillen. Immer dann wann das Baby es möchte, so viel es möchte. Ohne fixierte Zeiten, ohne Taktung, ohne auf Kürze oder Länge der Stillmahlzeit zu achten. Hierbei geht man davon aus, dass das Baby am besten weiß wann es Nahrung und wie viel davon benötigt und dies auf seine Weise äußert. Dieser bedürfnisorientierte Umgang mit unseren Babys ist glücklicherweise wieder viel mehr an die Oberfläche gedrungen und heute immer mehr zur Selbstverständlichkeit geworden. Eine schöne Entwicklung, die bei Zwillingen eine besondere Herausforderung darstellt bzw. zu weitergehenden Fragen führt. Denn es ist schon ein praktischer Zufall, sollten die Zwillingsbabys gleichzeitig das Bedürfnis haben zu stillen, zu schlafen.
Stillst Du die Babys nach Bedarf, wann und sooft sie es wollen, ist es möglich, dass Du gefühlt 24 Stunden am Stück mindestens ein oder beide Babys an der Brust hast. Für einige Mütter, für wenige Tage kein Problem, doch auf Dauer erzählen nicht wenige, dass es sehr an ihren Kräften zerrt, kein Minute ohne Kind an der Brust zu sein. Doch was sind die Alternativen?
Bei Zwillingseltern stellt sich immer wieder eine Frage, die Mütter von einem Baby nicht kennen. Soll ich meine Babys synchronisieren? Sprich sollst Du die Zwillinge zur selben Zeit füttern und schlafen legen, in der Hoffnung, dass sie über die Zeit einen gleichen Rhythmus haben und Du als Mama etwas mehr Zeit für Dich zum Ausruhen hast? Und was wenn ein Kind schläft, das andere hungrig ist, den schlafenden Zwilling wecken?
Aus unserer Sicht gibt es hier kein richtig oder falsch. Nach Bedarf stillen bedeutet Bedarf Deiner Babys und Dir. Hast Du das Gefühl Du bringst es nicht über das Herz ein Baby zu wecken, dann stillst Du in dieser Situation nacheinander. Ist es passend, dann gerne auch gleichzeitig. Hilft es Dir beide gleichzeitig zu stillen und das zu Eurem Rhythmus, ist auch dies vollkommen in Ordnung. Deine Kinder brauchen eine gesunde Mutter, die auch auf sich selbst achtet und mit Ihren Kräften haushält. Wenn dies mit einem Rhythmus für Dich besser gelingt, dann ja synchronisiere die Stillzeiten. Das bedeutet nicht, dass Du nicht auf ihre Bedürfnisse eingehst, denn Du reagierst auf ihr weinen, tröstest sie, kuschelst mit ihnen, trägst sie. Es ist also ein sehr individueller Weg den ihr beschreitet und ihr solltet diesen so angehen, wie es in der jeweiligen Situation für Euch passend ist. Wichtig ist , dass Du darauf achtest, dass Deine Babys zu Beginn 10 bis 12 x in 24 Stunden stillen, in welchen Zeitabständen ist völlig unerheblich. Wenn Du nachts einmal mehr als 2 Stunden Schlaf benötigst, dann kannst Du ruhig auch mal 4 Stunden schlafen, um Kraft zu schöpfen. Wie Du die Milchbildung in Gang bringen kannst oder wie der Stillbeginn nach Kaiserschnitt aussehen kann und vieles mehr kannst Du in unseren Beiträgen auf dem Milchwiese | BLOG nachlesen.
Du siehst, es ist möglich Zwillinge zu stillen, ob gleichzeitig oder nacheinander, in welcher Position, mit welchen Hilfsmitteln auch immer. Und Du leistest großartiges und kannst stolz auf Euren Stillweg sein.
Mehr Literatur zum Thema:
So kannst Du Deine Zwillinge und Drillinge stillen - Inga Sarrazin und Gisela Otto
Zwillinge stillen - Susanne Wittmeier
Bildquelle: Fotolia ©Aliaksei Smalenski